„Caught under wheel´s roll
I take the leech
I´m bleeding me
I can´t stop to save my soul“
Für meine erste malerische Darstellung von Metallicas Musik habe ich mir die vielleicht meist gehasste Platte ihrer Karriere ausgesucht. Ja, noch mehr als „St. Anger“ und „Hardwired … to self-destruct“ zusammen genommen.
Zu kommerziell. Der Beginn des Verkaufs an die Industrie. Anbiederung an den Massengeschmack.
Tatsächlich erreichten sie mit ihr ein breiteres Publikum und landeten mit „Until it sleeps“ ihre erste Nr. 1 in den Billboard Charts.
Ausnahmsweise muss ich kurz das Cover erwähnen, denn das ist wirklich außergewöhnlich. Es ist ein Werk des umstrittenen New Yorker-Künstlers Andres Serrano und trägt den Titel „Semen and Blood III“. Zu sehen ist eine Mischung aus Rinderblut und seinem eigenen Sperma gepresst zwischen zwei Plexiglasscheiben. Okay... … …
James Hetfield war äußerst unzufrieden mit dem Artwork. 2009 sagte er in einem Interview mit „Classic Rock“: „I love art, but not for the sake of shocking others.“
(Artwork: Andres Serrano, Anton Corbijn, Andie Airfix)
Die Bildobjekte zu arrangieren war diesmal eine richtige Herausforderung. Wie ein Puzzle mit fünfzehn Teilen, die nicht zusammen passen.
Zu Beginn klingt das Album noch ziemlich unbunt, ab der zweiten Hälfte wird es aber richtig farbenfroh.
Um der Komposition eine gewisse Schwere zu geben, einen Anker für den Blick quasi, habe ich die Nichtfarben im unteren Bildbereich gehalten.
Der Opener „Ain´t my Bitch“, die meiste Zeit mein Lebensmotto, vereint drei dicke Wellen in Schwarz, Weiß und Hell- und Dunkelgrau zu einem imposanten Gebilde mit einer mächtigen Ausstrahlung.
Darüber liegt der unscheinbare schwarze Quader von „Hero of the day“. Die Schrecken des Krieges sind ein wiederkehrendes Thema in Metallica-Songs. In diesem geht es um die Qualen und das Heimweh eines jungen Soldaten. Die schöne Melodie steht im harten Gegensatz zu Hetfields schmerz- und sehnsuchtsvollem Gesang. Gleichzeitig hat es eine wunderbare Melodie und verleitet aufgrund seines Titels zu Fehlinterpretationen a la „Born in the USA“. All das macht es nicht nur zu meinem Favoriten auf dem Album. Auch der Video-Clip ist einer der populärsten der Band. Deswegen schauen wir uns den jetzt erstmal an.
Wie so oft sind auch hier die Bildelemente hauptsächlich unkonkrete Formen. Weich und rund, manchmal langgestreckt. Ein paar eckige Objekte höre ich aber doch.
Über „Ain´t my Bitch“ und „Hero of the day“ liegt der Quader von „Thorn within“. Er versteckt sich jedoch hinter den es umgebenden Liedern, so dass es kaum als viereckig wahrgenommen wird. Es hat einen fließenden Farbverlauf von Weiß nach Gelb.
Als dynamischer Bruch dieser waagerechten Anordnung dient das fantastische „The House Jack built“. Am linken Rand, entspringend in einem schwarzen Halbkreis, zieht es sich trichterförmig nach unten. Beide Teile werden von einer Art grauem Geäst verbunden.
„King Nothing“, leider der einzige Song bei dem Jason Newsteds hervorragendes Bassspiel zur Geltung kommt, ist meiner Meinung nach einer ihrer genialsten. Er besteht aus einem gelben Kreis, eine Farb-Form-Verbindung, die mir bei Metallica auffallend oft unterkommt, und einem schwarzen flügelartigem Gebilde.
Zwar sind alle Grundfarben vertreten, aber sie halten sich insgesamt zurück. Sie nehmen nicht viel Platz ein und fungieren fast ausschließlich als Akzente. Anders die Sekundärfarben, die sich weit ausbreiten und Kontraste bilden.
"Load", 4. Dez 2017, 40x60cm, Acryl auf Leinwand
Wenig überraschend habe ich wieder kein Violett gehört. Dagegen umso mehr Orange. Zusammen mit Schwarz dominiert es die Leinwand. Das fängt schon beim Titel an, wo es sich als Wolke zeigt, die von einem dicken blauen Strom umflossen wird.
Der mir damit gebotene Komplementärkontrast war mir für die Gestaltung mehr als willkommen.
Ich habe „King Nothing“ daneben gesetzt, weil es auch nach oben strebt, aber in die andere Richtung. Sie spannen sich wie die Schwingen eines Vogels. Der eine unbeständig und erkundend, der andere fest und beschützend. Außerdem schwimmen Fetzen dieses auffälligen Ultramarins durch die anderen Farben. Diese Eigenschaft habe ich benutzt um einzelne Lieder optisch zu trennen oder dunkle Stellen aufzuhellen.
Zum Beispiel oben rechts bei „Wasting my Hate“, das in einem Graublau nach unten um eines dieser Fragmente greift.
Dasselbe Graublau höre ich auch bei „Poor twisted me“, wo es die Quelle für einen y-förmigen, dünnen gelbgrünen Fluss ist über den es mit einem Quadrat in einem starken, deckenden Gelb verbunden wird.
Das, trotz aller Kritik, sehr beliebte „The Outlaw torn“, ein Lied über den Verlust eines geliebten Menschen und den verzweifelten Versuch diesen zu ersetzen, soll sich angeblich mit dem Unfalltod des ersten Bassisten Cliff Burton auseinandersetzen. Als der Tourbus 1986 auf der Strecke von Stockholm nach Kopenhagen verunglückte wurde der gerade erst 24-Jährige aus dem Fenster geschleudert und unter dem Fahrzeug begraben.
Das Lied enthält neben einem Gitarrensolo Hammetts in der Mitte auch eines von Hetfield am Ende, das jedoch um ein ganzes Stück gekappt werden musste, da kein Platz mehr auf der CD war. So wurde das Lied von 11min auf 9:49 gekürzt. „Load“ ist trotzdem ihr längstes Album.
Zwei Jahre später schaffte es der Song aber in voller Länge zumindest als B-Seite auf „The Memory remains“.
Hier finden wir auch noch einmal Orange. Über dem Titel nimmt es, zuerst rostig rot, seinen Anfang und fließt dann in dünner Konsistenz an den anderen Bildelementen entlang. Bei manchen stößt es an eine Grenze, mit anderen vermischt es sich. In „Poor twisted me“ ragt es direkt hinein verläuft über die gelbe Fläche. Obwohl sich die gelbgrünlichen Streifen wehren können sie nichts dagegen tun.
(Quelle: morrisonhotelgalllery.com)
Mit ihrem 6. Studioalbum, veröffentlicht am 4. Juni 1996 auf Elektra Records, beschritten die Kalifornier neue Wege.
Besonders Lars Ulrich und Kirk Hammett drängten auf ein neues Image. Kürzere Haare, schicke Hemden, Kajalstrich unter die Augen.
Sogar ein neues Logo gab es. Gott sei Dank hat sich das nicht durchgesetzt. Bei dem Anblick schüttelt es einen ja!
All das hätten ihre Fans aber irgendwie verkraften können. Genauso, dass mit „Mama said“ und „Wasting my Hate“ erstmals Songs ohne Gitarrensoli auftauchen.
Aber Metallica wurden plötzlich musikalisch experimentierfreudig. Laut eigenen Angaben ließen sie sich von ZZ Top, Aerosmith, Alanis Morissette, Ted Nugent und vielen mehr inspirieren. Bei so vielen verschiedenen Einflüssen kann keine reine Metal-Platte herauskommen.
Dieser Mischmasch macht sich auch bei den Farben bemerkbar. Sie sind meistens sehr dünn und transparent. Selbst auf größeren Flächen geben sie ihrer Schwäche nach. Wie die Lieder keinem bestimmten Genre zugeordnet werden können, können sie in ihrer Konsistenz nicht bestimmt bleiben. Diese Unklarheit machte ich deutlich durch sichtbare Pinselführung und zaghaften Farbauftrag.
Metallica bedienten sich in Hard Rock und Alternative. Für „Mama said“ sogar beim Country Rock. Hetfield widmete den Song seiner Mutter, die an Krebs starb als er sechzehn war. Es ist eines der traurigsten Lieder überhaupt. In seiner tröstend hellen Farbgebung fließt es am rechten Rand in einem Pastellgrün, warmen Gelb und sanften Ocker hinunter.
Im sehr schönen „Until it sleeps“, das dasselbe Thema behandelt, finden sich kräftig leuchtende Grüntöne über Gras- bis hin zu Tanne. Hier neigt es mal mehr zu seinem gelben, dann wieder zu seinem blauen Ursprung. Ich höre einen weiteren, diesmal sehr kleinen, gelben Kreis. Er wird begleitet von ebenso gelben Streifen, die sich durch die grüne Masse ziehen und in einer blattähnlichen Form enden. Um dieser auch eine natürliche Struktur zu geben, habe ich die Farben mit dem Daumen verwischt. Aufgrund ihrer Farbverwandtschaft habe ich die beiden Lieder gegenüber gesetzt.
Es ist ein wirklicher Jammer, dass diese zum Teil hervorragenden Songs nie live gespielt wurden!
Zum Beispiel die atmosphärischen „Thorn within“ und „The House Jack built“.
Oder auch das raue und klasse getextete „Ronnie“, in dem es um einen amoklaufenden Teenager geht. Hammetts Gitarre erzeugt eine rote Wolke, während die übrigen Instrumente eine braune erschaffen. Beide kämpfen miteinander, drängen ineinander, haften aneinander.
Zusätzlich soll das Braun den orangen Strom und besonders das schreiende Rot des bluesrockingen „2 X 4“ direkt über „Ronnie“ bändigen.
Genauso aber auch das gediegenere Weinrot und das zurückhaltende Rosa in „Bleeding me“, in dem Hetfield seinen Alkoholentzug verarbeitet. Über den Refrain streckt sich ein langes weißes Viereck. Ich habe es am oberen Bildrand angelagert um die roten Teile nebeneinander zu platzieren. Außerdem waren dadurch die weißen Parts gleichmäßig über die Leinwand verteilt. Oben also der von „Bleeding me“, in der Mitte ist der von „Thorn within“ und unten der von „Ain´t my Bitch“.
Wiederholend zur unteren Bildhälfte habe ich links neben die waagerecht angeordneten Elemente das dunkelbraune, und übrigens ebenfalls nie live aufgeführte, „Cure“ vertikal als Gegenpol gesetzt.
Mir ist es lieber Künstler*innen entwickeln sich weiter und probieren etwas Neues aus, auch wenn sie damit in die Scheiße greifen, als wenn sie uns ständig dasselbe vorsetzen. Fangen sie an sich selbst zu langweilen überträgt sich das auf ihre Arbeit.
Es ist auch nicht mein Lieblingsalbum. Ich finde es auch nicht rundum gelungen. Doch es enthält richtig gute Songs wie eben „Hero of the day“, „Ain´t my Bitch“ oder „Poor twisted me“.
Allein schon James Hetfields Stimme wegen höre ich sie gerne. In ihr liegt eine Wärme, die sich nach Geborgenheit, nach zu Hause sein anfühlt. Außerdem ist er einer der präzisesten Gitarristen und einer der besten Songtexter der Rockgeschichte.
Aber welche Meinung wir Synästhesist*innen auch immer über die Musik, die wir sehen haben, sie beeinflusst die Farben, die wir hören nicht. Ganz banal ausgedrückt, sie diese lediglich Reflexe. Ich male eigentlich nichts weiter als Reflexe.
Euch wünsche ich dennoch ein schönes Wochenende! Genießt die Sonne!
Eure TinTro
Zitat aus "Bleeding me"
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