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AutorenbildTinTro

"Am Ende der Sonne"

Und ob man schwitzt, und ob man friert

Und ob man den Verstand verliert

Ob man allein im Dreck krepiert

Die Sonne scheint, als wäre nichts passiert“


War „Endlich Urlaub!“ noch farbenfroh und aus ungegenständlichen Figuren aufgebaut, so sieht man auf dem 2. Soloalbum des großartigen Farin Urlaub „Am Ende der Sonne“ davon nichts mehr.

Eigentlich ist das Bild nur eine schwarze Fläche mit grauen und weißen Elementen, häufig in Kombination, und wenigen Farbakzenten. Die Formen sind schlicht und schmucklos und es sind diesmal augenfällig viele geometrische Charaktere. Neben Kreisen und, vornehmlich weißen, Quadern höre ich hier auch die sehr seltenen Dreiecke.



"Am Ende der Sonne", 22. Dezember 2017, 40x60cm, Acryl auf Leinwand


Zum Beispiel der weiße Quader mit dunkelgrauem Rahmen am rechten Rand. Es ist das kurze Instrumental „Schon wieder“, das ganz ohne elektronische Instrumente auskommt und einen mal verschnaufen lässt zwischen dem ganzen heftigen Rest.

Gegenüber hängt ein vertikaler, weißer Streifen mit einem hellgrauen Rahmen in „Immer noch“. Fanliebling „Porzellan“ ist ihm nicht unähnlich, liegt aber horizontal und ist leicht gebogen. Seine Umrandung ist zudem mehr Asphalt als Kiesel. Der begeisterte Reiseromanleser erzählt im Video dazu seine eigene Version von „Robinson Crusoe“.

Noch ein weiteres Lied korrespondiert optisch mit „Schon wieder“. Der Opener „Mehr“ beginnt ebenfalls als weißer Quader mit einem Rahmen in Anthrazit. Daran schließt sich eine Kette aus vier weißen Kreisen an, die von der unteren in die obere Bildhälfte klettert. Sie geraten dabei in die grauen Ränder der anderen Objekte hinein und werden von ihnen an Ort und Stelle festgehalten.

Das Album wurde oft für seine Ernsthaftigkeit kritisiert. Es ermangele ihm an einer fröhlicheren Nummer, die alles etwas auflockere. Dabei ist „Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor“ genau das. Eine selbstironische Auseinandersetzung mit dem Rocker-Klischee, dem er als untätowierter Nichtraucher und Antialkoholiker ums Verrecken nicht entspricht. In meine synästhetische Wahrnehmung übersetzt, ist sie ein Aufbau aus drei weißen Balken, die sich nach unten ausrichten und von einer anthrazitfarbenen Pfütze umflossen werden.



(Quelle: www.kino.de )


In kräftigem Granitgrau zeigt sich „Unsichtbar“ als große, rundliche Form am rechten Bildrand. Wie ich finde, einer der besten Songs auf der Platte. Farin rockt richtig gut mit einem tollen Text über unerfüllte Liebe.

Auch ihm habe ich ein Objekt in nahezu demselben Ton gegenüber gestellt. Dieses nur leicht dunklere Dreieck ist „Kein zurück“. Das Lied über Suizidgedanken ist eines seiner stärksten überhaupt! Allein schon musikalisch genial ist der Wechsel von akustischer Gitarre in den Strophen mit E-Gitarre im Refrain. Leise gegen Laut. Die Stimme im Kopf gegen die eines Angehörigen.

Der Vorbote des Albums „Dusche“ ist gleichzeitig sein Closer, der uns mit einem wunderschönen Outro aus Cello, Bratsche und Violine entlässt. Im dazugehörigen Video mimt Farin einen Auftragskiller, der Alltagsgegenstände beseitigt, nur um am Ende zu eben diesen Klängen von seiner eigenen Dusche erstochen zu werden. Als Gewitterwolke aus einer ganzen Palette von Grautönen zieht es in der oberen rechten Ecke auf. Ich habe die vielen Querstriche unmittelbar auf der Leinwand zusammengesetzt und mit kleinen Spuren von Weiß dekoriert.

„Am Ende der Sonne“ ist Melancholie und Hoffnung zugleich. Das Lied „Augenblick“ ist dafür ein gutes Exempel. Außerdem ist es von allen Bildelementen das hübscheste. Ein dunkelgrauer Ring, ähnlich einem Haargummi, umgibt einen schwarzen Kreis in dem semitransparente, weiße Schnörkel wimmeln.

Fast mittig sitzt „Alle dasselbe“, eine sehr große schwarze Kastenform. Eine lässige Ska-Punk-Nummer darüber, dass wir alle gar nicht so verschieden sind, weil jeder und jede von uns grundsätzlich dasselbe will. Aber manche dann doch noch mehr als sie bräuchten und das soll bitte besser sein als das der anderen.

In der oberen linken Ecke klemmt, ebenfalls pechschwarz, „Apocalypse wann anders“ als Dreieck, das wie ein tastendes Insekt seinen langen Fühler ausstreckt und dabei direkt in die Pfütze von „Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor“ greift. Nach langem Überlegen entschied ich mich für diese zwar melodische, trotzdem wild getriebene Weltuntergangsbeschwörung als meinen Favoriten Numero Uno. Obwohl sie eine endgültige Abschiedsstimmung verbreitet, regt sie auch zum Mitsingen an.




Mit dieser äußerst limitierten Farbgebung war es mir kaum möglich Kontraste zu setzen. Die Sekundärfarben sowie Rot fehlen und die übrigen Primärfarben erscheinen in winzigen Mengen in jeweils einem Song. Gelb höre ich mit Schwarz zu einem Band geknüpft, das den ersten weißen Kreis von „Mehr“ mit „Augenblick“ verbindet, in „DerMitDer“. Ein Wortspiel mit dem Namen Demeter. Doch hier geht es nicht um die griechische Göttin der Fruchtbaren Erde. Gemeint ist Robert Solomon Göhring - „Der Mann mit der Posaune“ - von The Busters, die ja Farin und das Racing Team stets auf Tour unterstützen. Wie auf Platte, so auch live: Nur echt mit Posaunen-Solo!

„Unter Wasser“ ist eine plumpe, schwarze Masse am unteren Bildende mit einem zarten Rand in Ultramarin. Seine Umgebung ist jedoch so dunkel, dass er beinahe übersehen wird. Erst bei näherer Betrachtung überrascht er mit seiner Anwesenheit. Das Schlagzeugspiel gefällt mir hier besonders und auch im Text erschafft Farin starke Bilder.

„Porzellan“ wird von einer keulenartigen Form in warmen Brauntönen erdrückt. Sie verkörpert das allseits beliebte Rock-Brett „Sonne“. Mittlerweile ja schon ein Urlaub-Klassiker.

Und das waren alle Farbkleckse, die er mir hier erübrigt hat. Der poetische Titel befindet sich über „Sonne“. Elegant in Schwarz und in seiner Form unbeständig bot er sich als Lückenfüller für die Gesamtkomposition an.

„Am Ende der Sonne“ wurde am 29. März 2005 auf Volker hört die Tonträger, Universal veröffentlicht. Wenige Wochen darauf verstarb die Übersetzerin Erika Fuchs, der das Album gewidmet ist. Ihre Arbeit prägte vor allem die Donald Duck – Comics und brachte ihr nicht nur Farin als Bewunderer ein. Fuchs enormer Einfluss auf unsere Sprache würde jetzt jedoch viel zu weit führen. Weitere Informationen müsst Ihr Euch selbst suchen. Vielleicht googelt Ihr mal den Begriff „Erikativ“.



(Art & Design: Jörg Grosse Geldermann/Next, Schwarwel, Captain Karg)


Aufgenommen wurde es wie sein Vorgänger im heimischen Tonstudio, das diesmal den Spitznamen „Nagelstudio“ verpasst bekam und wo Farin bis auf Bläser und Streicher wieder alle Instrumente selbst eingespielt hat. Er schrieb sich gezielt ein Gitarrenalbum für die Konzerte mit dem Racing Team.

Und tatsächlich gelang ihm ein atmosphärisches, wahnsinnig düsteres Album, in dem man sich bei aller Aufregung und Härte herrlich verlieren kann. Weil sie so eine schöne runde Platte ist, also die einzelnen Lieder eine ausgewogene Einheit bilden, habe ich für die Abgrenzungen der 15 Bildobjekte wieder hauptsächlich Farbvermischungen benutzt.

Kurzerhand habe ich dann die waagerechten Elemente „Unter Wasser“, „Mehr“, „DerMitDer“, „Alle dasselbe“, „Porzellan“, „Sonne“, „Schon wieder“ und „Dusche“ einfach übereinander gestapelt und die senkrechten drumherum drapiert. Eine simple Komposition für klare Formen und minimale Farbauswahl.

Übrigens habe ich den Hidden Track „Noch einmal“ nicht mit gemalt, da ich CDs über meinen DVD-Player höre und der den Song nicht erkennt. Ich mag ihn aber total gern! Ihr findet ihn auf meiner Spotify-Playlist zusammen mit all meinen anderen Lieblingsliedern von FU und FURT.

„Am Ende der Sonne“ beginnt mit einer charmanten Begrüßung auf japanisch. Ich gehe zumindest davon aus, dass sie charmant ist. Ich spreche die Sprache nämlich nicht, schließe diesen Beitrag aber ab mit: Domo Arigato! Mata ne!



Ich wünsche Euch ein wunderschönes Wochenende!


Eure TinTro






Zitat aus "Sonne"

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