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Brian Jones – Der vergessene Rolling Stone


Die ewige Band. Großbritanniens Urknall des Rock´n´Roll. Irgendwann, wenn die Welt untergegangen ist, wird es noch Kakerlaken, vielleicht Ratten und The Rolling Stones geben.




Die meisten von Euch hören diesen Namen und denken an Mick Jagger und Keith Richards. Aber die letzten 58 Jahre wären, musikalisch wie popkulturell, ganz anderes geprägt worden, hätte es einen bestimmten Mann nicht gegeben.

Brian Jones war nicht bloß ihr erster Lead Gitarrist und ohne Frage das herausragendste Talent der Fünf. Er gründete diese Band, gab ihr einen Namen, besetzte sie und entschied, welche Lieder sie spielte. Also, alles, was die Rolling Stones damals definierte, geht zurück auf seine Suche nach Glückseligkeit in der Musik. Sie sollte ihm nicht vergönnt sein.

Doch wer war dieser Mann, der nicht an das Loch Ness–Monster glaubte und als kleiner Junge im Chor sang?




Lewis Brian Hopkins Jones wurde am 28. Februar 1942 in der Kleinstadt Cheltenham geboren. Seine Eltern, ein Flugzeugingenieur und eine Klavierlehrerin, waren recht wohlhabend. Er besuchte eine Privatschule und bekam gute Noten. Jones hatte zwei jüngere Schwestern von denen eine mit gerade einmal achtzehn Monaten an Leukämie starb. Ein Schicksalsschlag, den er nie richtig verkraftete.

In seiner Jugend hatte er ständig Probleme mit seinen Eltern und Lehrern.

Mit 15 wurde er das erste Mal Vater. Verantwortungsbewusstsein Fehlanzeige!

Mit 17 bekam er seine erste Gitarre – Lebensverändernde Wirkung inklusive!

1961 hatte er auf drei uneheliche Kinder von drei Frauen erhöht und zog mit Pat Andrews und dem gemeinsamen Sohn, Kind Nr. 4, nach London. Dorthin, wo in England die Musik spielte. Schnell knüpfte er Kontakte im Ealing Jazz Club, den die heutige White Blues–Legende Alexis Korner betrieb.

Erstmal trat er aber noch mit verschiedenen kleinen Projekten unter dem Namen Elmo Lewis auf. Bald schon reichte ihm das nicht mehr und er machte Nägel mit Köpfen. Es war Zeit eine eigene Band zu gründen. Deshalb schaltete er 1962 eine Anzeige, in der er nach Musikern suchte. Daraufhin fanden sich nach ein paar Versuchen Bill Wyman und Charlie Watts. Richards und Jagger kannte er bereits über Korner.

Zusätzlich übernahm er auch das Management und besorgte erste Auftritte. Die Benennung nach dem Muddy Waters–Song „Rollin´ Stone“ soll angeblich spontan bei einem Telefoninterview passiert sein.

Jones wuchs mit den Blues- und Jazzplatten seiner Eltern auf und bewunderte speziell Elmore James, daher auch sein erster Künstlername. Auch die anderen vier teilten diese Leidenschaft für die „schwarze“, amerikanische Musik. Von der biederen Erwachsenengeneration als böse und anzüglich verteufelt, ist sie das perfekte Sprachrohr für die erste Generation Jugendlicher, die den Krieg nicht mehr bewusst miterlebten.

Dabei waren sie eigentlich alle gut erzogene Jungs aus der Mittelklasse. Doch in der mitreißenden Umbruchstimmung der Sechziger, in der jeden Tag in die Firma gehen um die Kleinfamilie zu versorgen als altbackenes Lebensziel ausgedient hatte, wandten auch sie sich gegen das Establishment. Sie verband der Drang nach Freiheit, aus gesellschaftlichen Zwängen ausbrechen um sich selbst zu verwirklichen.

Am Anfang ihrer Karriere sahen sie trotzdem noch sehr brav aus. In Anzügen mit Krawatten und „ordentlichen“ Haarschnitten erinnerten sie eher an die Beatles. Zumindest optisch waren sie richtige Schwiegermütterträume.




Doch mit ihrem neuen Manager Andrew Loog Oldham verschwand dieser konventionelle Look. Ein neues Image musste her, um sich von der Masse an Bands abzusetzen. Sie wurden dreckiger, langhaariger, rotziger – eben einfach wilder.

Als nächstes brachte er sie bei Decca Records unter Vertrag. Ihre erste Single war eine Cover-Version von Chuck Berrys „Come on“ und erschien 1963. Die zweite „I wanna be your man“ stammte von niemand anderem als dem Songwriterduo Lennon/ McCartney. Beflügelt von der Idee Jagger/ Richards ähnlich groß aufzubauen, unterstütze und betreute Oldham die beiden besonders intensiv. Dadurch kam es schon früh zu Konkurrenz unter den Bandmitgliedern. Jones war eifersüchtig, nicht weil er selbst ein miserabler Songschreiber war, sondern weil er sich, als Chef der Gruppe ins Abseits gedrängt sah.




Mit dem The Valentinos–Cover „It´s all over now“ schafften sie es 1964 erstmals auf Platz 1 im Vereinigten Königreich. Es folgten spektakuläre Auftritte, ausflippende Fans und Schlange stehende Groupies. Mitte der Sechziger waren sie Millionäre und Jones, nun 23-jährig, obendrein 5-facher Vater. Zwei seiner Söhne nannte er Julian nach dem Jazz-Saxophonist Julian „Cannonball“ Adderley.




Es ist nicht untertrieben Brian Jones einen Multi-Instrumentalisten zu nennen. Er brauchte nicht lange um ein neues Instrument zu erlernen. Er beherrschte, neben seiner geliebten Slidegitarre natürlich, Klarinette, Marimba, Cembalo, Harfe und Akkordeon – und das ist wirklich nur eine kleine Auswahl.

In den ersten sieben Jahren der Stones prägte er erfolgreiche Alben wie z.B. „12x5“, „Their satanic Majesties request“ und „Beggars Banquet“.

Besondere Erwähnung gilt selbstverständlich „Aftermath“. Wir sprechen hier nicht bloß von dem besten Rolling Stones-Album überhaupt, das sie experimentierfreudig und im Reifeprozess zeigt. Sondern von einem der wichtigsten Rock´n´Roll-Alben der Geschichte. Die Stones bewiesen darauf beeindruckender als je zuvor, wie man mit genrefremden Instrumenten Grenzen sprengen und gleichzeitig Hits landen kann. Nebenbei bemerkt, handelt es sich hier außerdem um ihr erstes Album, das nur eigene Kompositionen enthält.

Ich rede ausdrücklich von der US-Version von „Aftermath“, die ein paar Unterschiede zur UK-Version aufweist. Der für mich entscheidendste ist „Paint it black“. Heute zurecht ein Klassiker. Sein melodiöser Text und Jones´ charakteristisches Sitarspiel erzeugen einen geradezu hypnotischen Sog.




Diese exotische Note, dieses gewisse Etwas, das die Band ausmachte, war einzig und allein der Einfluss von Brian Jones. Auf der UK-Version erschien „Mother´s little helper“, auf dem er mit einer 12-saitigen Gitarre und dem indischen Tambura begeistert. Wymans Bassspiel möchte ich trotzdem an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Bassisten werden sowieso zu wenig gewürdigt.




Letztes Beispiel soll das wunderbare „Ruby Tuesday“ sein. Veröffentlicht sowohl auf „Between the Buttons“ als auch auf „Flowers“. Jones spielt das Piano in den Strophen und zaubert, anders kann man es nicht nennen, auf der Marimba die märchenhafte Melodie dieses Musikjuwels. Und hiermit wünsche ich Euch viel Spaß mit eurem Ohrwurm für die gesamte nächste Woche!




Doch nicht nur Musik war ein großer Bestandteil seines Lebens, sondern auch Drogen in Form von Cannabis, LSD und Methamphetaminen. Hinzu kamen Medikamente, die er aufgrund einer Asthmaerkrankung einnehmen musste. Ein verhängnisvoller Cocktail.

Keith Richards weissagte ihm: „Du wirst keine 30 Jahre alt.“ Worauf Jones kurz und knapp antwortete: „Ich weiß!“

Sex, Drugs and Rock´n´Roll ins Extreme gesteigert. Er war der Bad Boy unter den Bad Boys. Ein hochintelligenter, absolut musikbegeisterter Kopf verschwendet an die Idee eines dekadenten Starlebens.

Aus dem Chorknaben wurde der bunt schillernde König des wilden Londons der Swinging Sixties. Und das deutsch-italienische Model Anita Pallenberg war für zwei Jahre seine Königin.

1967 verließ sie ihn nach einem Marokko-Urlaub für Keith Richards mit dem sie dreizehn Jahre zusammen blieb und drei Kinder bekam. Auch wenn seine Beziehungen nie von Dauer waren, diese Trennung traf ihn hart. Überrascht haben sollte sie ihn aber nicht. Sie galten zwar als Glamourpaar, aber hinter dem schönen Schein, verbarg sich ein Desaster. Sie tranken und nahmen Drogen zusammen, stritten und schlugen sich.




Obwohl Brian Jones einen gewissen Charme besessen haben soll, sei er laut Schlagzeuger Charlie Watts meistens unausstehlich gewesen. Zeitgenossen beschreiben ihn als schwierigen Charakter. Widersprüchlich, manisch-depressiv und äußerst unleidlich. Ein labiler junger Mann mit einem ausgeprägten Autoritätsproblem, der er es einmal für witzig hielt in einer SS-Uniform zu provozieren.

In den letzten Jahren seines Lebens war er nicht nur Stammgast in den Charts, sondern auch vor Gericht. Es kam zu Razzien in den Häusern der einzelnen Bandmitglieder und Festnahmen wegen Drogenbesitzes bzw. -konsums.

Ende 1968 hatten sich Brian Jones und der Rest der Rolling Stones weitestgehend entfremdet. Immer häufiger fehlte er bei Auftritten. Drogenbedingt nahm seine Kondition ab, seine Krankenhausaufenthalte dagegen zu.

Der einstige Chef der Rolling Stones war untragbar geworden. Auch wenn den anderen die Entscheidung ihn rauszuwerfen schwer fiel, am 8. Juni 1969 machten sich Watts, Richards und Jagger auf nach Cotchford Farm, einem alten Landhaus bei London, das Jones seit einem Jahr mit seiner Freundin Anna Wohlin bewohnte, um ihm ihren Entschluss mitzuteilen.

Sie hatten nicht vergessen, was sie ihm zu verdanken hatten. Neben einer fetten Abfindung, erhielt er eine jährliche Gewinnbeteiligung, solange die Band aktiv ist.

Es schwang die leise Hoffnung mit, dass diese drastische Maßnahme, Jones endlich wachrütteln würde. Und in der Tat nahm er die Nachricht erstaunlich gut auf. Ihm war die Musik seiner Band eh längst zu kommerziell geworden. Er machte sogar schon Pläne für eine neue Gruppe und sprach mit John Lennon, dessen Band sich just zum selben Zeitpunkt auflöste, über gemeinsame Projekte.

Leider befand er sich gerade in einer furchtbar schlechten Situation: hinter ihm lag ein fehlgeschlagener Aufenthalt in einer Entzugsklinik, er war auf Bewährung wegen dem Besitz von Cannabis und außerdem soll er paranoid geworden sein. Er dachte, Oldham wolle ihn töten lassen.

Wie bei großen Legenden so üblich, ranken sich verschiedenste Theorien um sein Ableben. Manche glauben, die Mafia war involviert, andere meinen, das Management der Stones stecke tatsächlich dahinter.

Die wohl „beliebteste“ ist jedoch die von Bauunternehmer Frank Thorogood, Geldschulden und unfertigen Renovierungen.

In der Nacht auf den 3. Juli 1969 waren dieser und die Krankenschwester Janet Lawson Gäste auf der Cotchford Farm. Bis auf Lawson, die sich im Haus befand, feierten sie im Pool und trotz vorherigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Männern, soll die Stimmung gelöst gewesen sein. Nach einer Weile verließ Wohlin die Szene um Lawson Gesellschaft zu leisten. Circa fünfzehn Minuten später stieß Thorogood zu ihnen. Lawson bemerkte, dass es draußen still geworden war. Sie ging hinaus um nachzusehen, was los ist und fand Brian Jones leblos auf dem Grund des Pools liegen. Zu dritt zogen sie ihn aus dem Wasser und Lawson versuchte ihn wiederzubeleben. Vergeblich.

Offiziell ist sein Tod ein Unfall unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Doch Anna Wohlin bezweifelt das bis heute. Ihr zufolge hat Thorogood ihn getötet. Er lag im Klinsch mit Jones, da dieser noch offene Rechnungen für Bauarbeiten am Haus bei ihm hatte und ihm Betrug vorwarf. Wobei Wohlin Thorogood jedoch keine Mordabsicht unterstellt. Sie glaubt, dass es zu Handgreiflichkeiten kam, an deren Folgen der Musiker verstarb. Der toxikologische Bericht wies im Übrigen nur eine kleine Menge an Alkohol und Drogen in seinem Blut nach.

Thorogood soll Tom Keylock, dem damaligen Tourmanager/ Chauffeur der Rolling Stones und Lebensgefährte von Janet Lawson, 1993 auf seinem Sterbebett gestanden haben, doch an

Jones´ Tod Schuld zu sein.

2009 wurde die Akte nochmal aufgemacht und mit demselben Ergebnis wieder geschlossen. Handfeste Beweise für irgendeine Theorie gibt es bis heute keine. Laut Keylock, der selbst noch am Abend der Tragödie zum Haus gerufen wurde, habe ihm Lawson gestanden, sie könne sich an nichts erinnern und auch die beiden anderen, wären völlig stoned gewesen.

Wirklich klar ist nur eins: Brian Jones ist ertrunken. Mit gerade einmal 27 Jahren.

Zwei Tage später spielten die Rolling Stones ein kostenloses Konzert im Hyde Park vor 250 000 Zuschauern, das ursprünglich seinen Nachfolger Mick Taylor, der bis 1974 Mitglied blieb, vorstellen sollte. Stattdessen wurde daraus eine Gedenkfeier für den ehemaligen Freund und Wegbereiter. Zu Beginn las Jagger aus Percy Bysshe Shelleys „Adonais“ vor. Danach wollte man hunderte weiße Schmetterlinge fliegen lassen. Viele von ihnen landeten schon vor Beginn dieses tierquälerischen Akts direkt bei Brian Jones im Jenseits. Tage des sinnlosen Sterbens in London.




Eine Woche nach seinem Tod wurde Brian Jones auf dem Priory Road Cemetery in Prestbury, nahe seinem Geburtsort, beigesetzt. Die Blumen auf seinem Sarg waren in Form einer Gitarre arrangiert. Nur Bill Wyman und Charlie Watts nahmen an der Zeremonie teil. Was aber nicht heißt, dass es Richards und Jagger nicht interessierte, denn auch wenn niemand überrascht war, stürzten sie doch alle vier in tiefe Trauer. Nach Aussagen von Mick Jagger, fand er selbst erst nach einer Woche die Kraft das Grab zu besuchen.






In einem Interview sagte Brian Jones einmal, er wollte nie ein Popstar werden und es war der frühe Ruhm, das zu viel von allem, woran er schließlich zerbrach.

Musik war sein treuester Begleiter. Sein Leben lang an seiner Seite. Sie konnte ihn nicht retten, aber sie bleibt uns als Zeugin eines der größten musikalischen Genies des 20. Jahrhunderts.



Ich wünsche Euch allen eine schöne Woche! Genießt den Sommer!


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