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Eckdaten: Prozess

Autorenbild: TinTroTinTro

Damit Ihr mal eine Vorstellung davon bekommt, wie meine Bilder entstehen, möchte ich Euch, anhand meines neusten Werkes „The Getaway“ von den Red Hot Chili Peppers, meinen Malprozess erläutern. So etwas ist kaum spannend, ungefähr so als würde man Karotten beim Wachsen beobachten. Trotzdem hoffe ich, Ihr findet es ein bisschen interessant und könnt danach (als nicht Synästhesisten) meine Arbeit besser nachvollziehen.





Schritt 1: Vorbereitung


Je nachdem, ob ich das Album schon kenne oder nicht, kann ich diesen Schritt auch überspringen. Habe ich es schon x-mal gehört und kann im Schlaf mitsingen, dann lege ich sofort los. Muss ich mich erstmal näher mit ihm vertraut machen, höre ich es ein paar mal vorher an. Wie oft ist von Album zu Album unterschiedlich. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie viele Male ich „The Getaway“ angeguckt habe, aber es muss über zehnmal gewesen sein. Zehn kann auch so grob als Durchschnitt für dieses Angucken gelten.

Das zieht sich manchmal über Monate hin, weil ich mittlerweile mehrere Bilder zur gleichen Zeit vorbereite und zwischendurch an anderen Projekten arbeite. Hierbei gibt es ebenfalls verschiedene Phasen. Zuerst lasse ich die Musik einfach auf mich wirken und finde mich in das Farbgefühl hinein.

Anschließend setze ich mich mit den Formen und Farben auseinander. Ich stelle Überlegungen zur Komposition und Darstellung an. Dabei schaue ich, ob Farben vorkommen, die ich mit meinen vorhandenen nicht mischen kann und kauf diese dann noch. Und ob ich Techniken anwenden muss für die ich Werkzeuge benötige, die ich nicht habe. Hier benutzte ich zum ersten Mal Acrylbinder um Sprenkel für den Opener „The Getaway“ und das von mir heißgeliebte „Feasting on the flowers“ auf die Leinwand zu fuchteln.

Wenn dann das Grundgerüst für das Bild in meinem Kopf steht und ich alle Materialien beisammen habe, lege ich die CD ein und fange endlich an zu malen.




Schritt 2: Bildobjekte


Ich beginne immer mit dem Titel und den Songs. Eine Skizze mache ich nicht, weder auf Papier noch auf der Leinwand. Die Farbe kommt direkt auf den rohen Untergrund.




Dabei halte ich mich an die von den Künstler*innen vorgegebene Trackliste und male die Lieder der Reihe nach.

Einige musste ich jedoch für das Bild komprimieren. Das kommt schon mal vor. „We turn red“ ist eines davon. Im Intro trommelt Chad Smith Quadrate in verschiedenen Grautönen. Dieser Teil wiederholt sich im Song mehrmals. Zum Ende hin ergibt er sich aber in einer großen weißen Ellipse. Damit so ein Gebilde nicht zu viel Platz wegnimmt, deute ich es mit allen wichtigen Parts nur an. Bietet es sich an, male ich diese Wiederholungen zwar mit, meistens klappt das jedoch leider nicht.




Schritt 3: Hintergrund


Der Hintergrund ist das oben erwähnte Farbgefühl. Bei diesem Album bestand es aus Schwarz, einem tiefdunklen Blau, einem hellen Grauton und Orange. Mit diesen Farben versuche ich die Stimmung, die mir die Platte vermittelt, zu kolorieren. Sie sollen die Atmosphäre einfangen.

An diesem Teil habe ich jedesmal sehr viel Spaß. Die Farben können ineinander übergehen, zusammenfließen und, ganz im Sinne der Abstrakten Malerei, einfach sie selbst sein. Sie können frei nach ihrem Charakter agieren: beim Mischen dominieren, den Blick auf sich lenken, den Betrachter näher heran locken.




Man darf das nun nicht missverstehen. Die einzelnen Farben und ihre Facetten stehen nicht für die uns bekannten Emotionen. Also, Gelb ist nicht gleich Traurigkeit, Rot ist nicht gleich Wut und Grün ist nicht gleich Erregung - so ist das nicht gemeint.

Ich weiß nicht, ob es sich bei jedem Synästhesisten so verhält, aber ich fühle die Farben beim Musik hören. Sie sind Gefühle. Es ist schwer zu erklären, aber ein Album als Gesamtwerk kann sich violett, blau oder auch himbeerrot und erbsengrün anfühlen. Sowie für jemand anderen Blumenkohl nun mal braun schmeckt. Es ist eben so. Wir nehmen die Dinge so wahr, das ist für uns völlig selbstverständlich und gehört zum Alltag dazu. Darüber machen wir uns keine Gedanken. Würde Synästhesie nicht eine so große Rolle in meiner Arbeit spielen, ich würde mich kaum mit ihr beschäftigen.




Währenddessen stelle ich dann meistens die Musik ab, denn manchmal kann ich das Album einfach nicht mehr hören, wie in diesem Fall. Dann schalte ich Netflix oder Spotify ein, mache eine DVD an oder höre einfach andere Musik.


Schritt 4: Details


Jetzt muss das Bild erstmal trocknen, aber das geht bei Acrylfarbe ja schnell. Zum Schluss gestalte ich Details, wie eben die Sprenkel. Dazu gehören z.B. auch die grünen Tupfer aus „The Hunter“, die schwarzen Wirbel aus „Detroit“ und die blattförmigen Gebilde sowie die schwarze Wellenlinie aus „Goodbye Angels“.

Aber noch viele mehr. Auf diesem Album hat fast jedes Lied solche kleinen Zugaben. Ich habe tatsächlich ein paar davon vergessen. Nachdem ich diese hinzugefügt hatte und mir bereits das nächste Album angeguckt habe, fiel mir ein, dass immer noch welche fehlen. Dann setzte ich mich zum dritten Mal an die Staffelei. Dummerweise hatte ich „The Getaway“ da aber schon auf diversen Online-Profilen veröffentlicht. Alles nochmal von vorn, das hat mich ziemlich genervt.




Bis hierher dauert es ca. 8 Stunden (+- 2). Wenn ich die Zeit habe, mache ich so eine Session am Stück durch, nur unterbrochen von Raucherpausen. Für „The Getaway“ brauchte ich 9 ½ Stunden und saß bis nachts halb drei.


Schritt 5: Format


Ob ich das Bild in Hoch- oder Querformat nehme, entscheide ich erst, wenn es fertig ist. Die Objekte sagen mir in welche Richtungen sie drängen und wie die größte Spannung zwischen ihnen entsteht.


Schritt 6: Firnis


Abschließend trage ich noch eine spezielle Acrylfirnis auf. Doch das mache ich irgendwann später. Ich sammle lieber ein paar Bilder und habe den Aufwand (das bezieht sich hauptsächlich aufs Pinselreinigen) dann nur einmal. Auf „The Getaway“ ist, während ich das hier schreibe, noch keine Firnis. Noch nicht mal auf „Love in Design“.

Firnis braucht etwas länger zum Trocknen und erfüllt den Raum mit seinem typischen Geruch, aber ich mag den sehr gerne. Sie muss nicht zwingend über Acrylfarbe drüber. Eine Künstlerweisheit besagt jedoch: „Wer sein Bild liebt, macht Firnis drauf.“ Außerdem leuchten die Farben dadurch kräftiger und, obwohl Acrylfarbe lichtecht ist und sich nicht durch bspw. Zigarettenrauch verfärbt, schadet ein zusätzlicher Schutz nie.



"The Getaway", 14. Juni 2020, 40x60cm, Acryl auf Leinwand


Kurze Anmerkung zu den Fotos meiner Werke:

Die muss ich natürlich machen um sie im Internet herzuzeigen. Ärgerlich ist aber, dass sie manche Farben nicht originalgetreu wiedergeben können. Dazu habe ich mich früher schon ausführlicher geäußert. Ich brauche dafür unbedingt Tageslicht, sonst erscheinen gleich alle Farben anders und einige Formen sind nicht richtig erkennbar. Es macht einen förmlich wahnsinnig. Deshalb fotografiere ich manche Bilder nochmal und nochmal und nochmal. Vielleicht sollte ich das von einem Profi machen lassen.

Und das wäre es dann alles in Allem. In der Theorie unspektakulär, in der Praxis ein Mordsspaß – so wie Quantenphysik, Maschinenbau und Kartons falten.

Hoffentlich, hat Euch der Exkurs zur Entstehung eines Bildes nicht all zu sehr gelangweilt und Ihr besucht diesen Blog bald wieder!



Euch allen wünsche ich ein schönes Wochenende!


Eure TinTro





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