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Synästhesie & Co. - Hochbegabung

In dieser Reihe bespreche ich verschiedene Wahrnehmungsphänomene, die laut Studien häufig mit Synästhesie auftreten. Neben anderen Formen der Sinnesreizaufnahme wie der Hochsensibilität oder Geräuschintoleranzen wie der Misophonie, gehören dazu auch besondere zerebrale Fähigkeiten wie die Hochbegabung, um die es in diesem Teil gehen wird.

Im Internet wird sie manchmal als eine Form der Synästhesie bezeichnet oder gar als Synonym für sie verwendet. Das ist beides falsch. Weder haben die Konditionen etwas miteinander zu tun, noch bedingen sie einander. Hochbegabung bezieht sich nicht auf die Sinne, sondern auf den Intellekt. Der Unterschied ist kurz erklärt: Synästhesist*innen verarbeiten mehrere Reize gleichzeitig, Hochbegabte dagegen verarbeiten Informationen schneller.

Der durchschnittliche IQ liegt zwischen 85 und 115. Ab einem Wert von 130 gilt man als hochbegabt und ab 155 sogar als Genie. Offiziell sind das lediglich 2% der Bevölkerung. Die Forschung geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, weil vermutlich der Großteil der Hochbegabten unentdeckt unter uns lebt.

Der höchste je gemessene IQ gehört dem australisch-amerikanischen Mathematiker Terence Tao und beträgt 230.

Obwohl dieses Phänomen schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts erforscht wird, ist seine Ursache bis heute nicht ganz geklärt. Vermutet wird ein Zusammenspiel aus Vererbung und sozialem Umfeld. Bewiesenermaßen beeinflussen der zwischenmenschliche Umgang und die Erziehung die Entwicklung der Intelligenz. Hochbegabung wird in einem Elternhaus, das auf intellektuelle Leistungen setzt eher gefördert als dort, wo gute Noten nicht alles sind.

Wusstet Ihr, dass eine gesunde Ernährung während der Schwangerschaft sich nicht nur positiv auf die körperliche Gesundheit des Kindes auswirkt, sondern gleichwohl auf die Bildung des Intellekts?

Schichtzugehörigkeit ist außerdem ein wesentlicher Faktor. Dieser Umstand schürt Vorurteile. Das gängige Klischee vom Wunderkind ist meiner Meinung nach eine Illusion, die unabsichtlich von der wohlhabenden Oberschicht geschaffen wurde. Lehrer*innen neigen zudem nachweislich eher dazu Kinder reicher Eltern auf Hochbegabung testen zu lassen als Arbeiterkinder. Es macht einen großen Unterschied, ob man sein Kind mit drei zum Violinenunterricht schicken kann oder selbst nicht arbeiten gehen kann, weil kein Kindergartenplatz mehr frei war. Bourgeoisie, sozialer Brennpunkt oder dazwischen ist für die Entwicklung der Hochbegabung entscheidend.


Was glaubt Ihr, wer hat den höheren IQ?

Stephen Hawking – Beide Eltern Wissenschaftler.


Rowan Atkinson - Landwirt- und Unternehmersohn.


Klar, Ihr habt natürlich gemerkt, dass das eine Trickfrage ist. Aber, wenn Ihr jemanden nennen müsstet, der/die den IQ von 160 des theoretischen Physikers schlägt, hättet Ihr da an Mr. Bean gedacht? Überraschung! Der IQ des Schauspielers beträgt 178.


Festgestellt wird der Intelligenzquotient mithilfe von dreiteiligen Tests, die die Themen Sprache, Mathe und figurales Denken beinhalten. Doch selten ist jemand in all diesen Bereichen hochbegabt und außerdem variieren die Werteskalen von Land zu Land.

Kritiker führen dazu immer wieder an, dass die reine Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten nicht weit genug reiche. Man könne ebenso handwerklich, künstlerisch oder emotional hochbegabt sein. Warum sollte es nicht so sein? Hat vielleicht jeder von uns eine Hochbegabung? Ist ein Schachweltmeister vielleicht ein hochbegabter Stratege? Ist eine Olympiasiegerin in Leichtathletik hochbegabt in Körperbeherrschung? Nach dieser Theorie wäre selbst ein Forrest Gump (ja, ein fiktiver Charakter, aber verständliches Beispiel) hochbegabt in Sachen Reaktionsfähigkeit und deshalb so gut im Tischtennis.

Weiter wird bemängelt, Intelligenz sei mehr eine konstruierte Idee als eine belegbare Tatsache mit einer konkreten wissenschaftlichen Definition und deshalb unmöglich messbar. Und ich frage mich, ob es überhaupt nötig ist. Und ab wann genau zählt eine Fähigkeit als Begabung? Wer bestimmt das und wieso? Ich halte Intelligenz, wie alles Abstrakte, für relativ.

Zurück zu den Tests. Sie werden für Kleinkinder nicht empfohlen, denn in diesem Alter ist noch alles offen. Ein Kind, das sich bis zum vierten Lebensjahr schnell entwickelt hat (frühes Laufen und Sprechen), muss dieses Level nicht zwingend halten. Verschiedene Umwelteinflüsse können sich sowohl positiv als auch negativ auf die Weiterentwicklung des Intellekts auswirken. Ohne entsprechende Förderung kann eine sich anbahnende Hochbegabung nämlich schlichtweg verloren gehen.

Ich habe im Zuge dieser Recherche mehrere solcher Tests im Internet gemacht, aber ich sage es Euch ganz ehrlich: Ich habe dafür nicht die Geduld und die Konzentration. Die sind mir einfach zu lang. Sie laufen auf Zeit und umfassen bis zu 60 Fragen.

Nachdem ich das zehnte Mal beantwortete, welches Bild das Muster logisch vervollständigt, hatte ich keine Lust mehr. Wie oft muss man das jemanden fragen bis man erkennen kann, ob dieser jemand die Problematik verstanden hat? Dabei schneide ich zwar immer ganz gut ab, aber ich rate auch fast jedes Mal. Was soll das dann letztendlich aussagen?

Bedenkt auch, dass diese Tests meistens nicht von Forschern bereit gestellt werden, sondern von „Agenturen“, die Euch die Auswertung ausschließlich gegen Geld vorlegen. Ich sah eine Preisspanne von ca. 22€ bis 200€. Wem´s das wert ist... Ihr bekommt einen Wisch auf dem „Zertifikat“ steht, den Ihr Euch genauso gut selbst mit Word am Computer entwerfen und ausdrucken könnt.

Aber es gibt auch ein paar, die Euch sogar noch anzeigen, welche Eurer Antworten falsch waren plus richtige Lösung dazu und ganz umsonst.

Vielleicht habt Ihr schon einmal von Mensa gehört, dem internationalen Verein für hochbegabte Köpfe. Er fördert Kinder und Jugendliche und unterstützt Studenten mit Stipendien. Auf der Webseite können sich Neugierige für einen Test anmelden, vorausgesetzt sie sind über 14 Jahre und möchten 60€ investieren.


Untersuchungen bestätigten das Vorurteil, Hochbegabte hätten Schwierigkeiten im Sozialverhalten nicht. Vielmehr rührt das daher, dass eine Hochbegabung meistens erst erkannt wird, wenn bei den Betroffenen bereits psychische Probleme aufgetreten sind. Ihnen selbst fällt meistens schon recht früh auf, dass sie „anders“ sind. Sie verstehen andere nicht und werden dadurch selbst nicht verstanden. Beispielsweise ist es für sie nicht nachvollziehbar, wieso ihre Klassenkameraden gewisse Sachverhalte nicht sofort verstehen. Dieses immer einen Schritt voraus sein, stempelt sie zu Strebern ab (auch wenn sie gar keine sind) oder drängt sie sogar in eine Außenseiterposition.

Sie hören ständig Sätze wie „Das müsstest Du doch wissen!“ und „Du hast´s gut, Du musst ja nicht lernen!“ - diese resultieren aus einem Irrglauben, dem wir aufgrund des verklärten Bildes von Hochbegabten aus Filmen wie „A beautiful mind“ und „Rain Man“ aufgesessen sind.

Sie werden ja nicht mit einem bereits eingespeicherten Wissensschatz geboren. So wie jeder von uns müssen auch sie ihr eigenes Potenzial erst erkennen und richtig einsetzen. In der Schule müssen sie den Lehrstoff ebenso erarbeiten und ihre Fähigkeiten trainieren um ein Instrument spielen zu können oder ein Tennisass zu werden.

Sicher habt Ihr auch schon mal von den sogenannten „Underachievern“ gehört. Hochbegabte, die Leistungen weit unter ihrem Niveau abliefern. Das tun sie unbewusst, weil sie sich mit dem Unterrichtsinhalt in der Schule oder in ihrem Job langweilen. Sie sind geistig unterfordert. Viele Hochbegabte betrachten Ihre schnelle Auffassungsgabe, speziell in der Jugendzeit, daher als Belastung.

Übrigens kann unter Umständen aus diesem Verhalten ADHS entstehen. Ab und zu wird diese Störung aber auch als Hochbegabung fehldiagnostiziert.

So, das ist, was die Forschung uns sagen kann. Jetzt wird uns eine Betroffene von ihrer turbulenten Schullaufbahn, inklusive Sitzenbleiben und schlechten Noten, berichten.



Da hat die bezaubernde Myrina das Bild der Hochbegabten doch etwas entzaubert. Sie sind also keine überlegenen Superhirne, die sich mit allem auskennen und nie Fehler machen. Sie müssen genauso lernen wie wir alle, jedoch verstehen sie Zusammenhänge schneller und können erforderliche Operationen nach kurzer Zeit anwenden. Das gilt aber eben nicht in jedem Bereich. Die eine ist herausragend in Physik, der andere dagegen in Fremdsprachen. Deswegen konnten die beiden jungen Frauen im Video auch nicht jede Frage aus dem IQ-Test beantworten.

Beim Thema Schule stimme ich Myrina zu, diese sollten ihre Schüler viel mehr nach ihren Talenten und Interessen fördern. Natürlich muss die Schule jedem Kind ein umfangreiches Allgemeinwissen in den Naturwissenschaften, Sprache, Geschichte und Kultur vermitteln. Aber individuelle Vorlieben für bestimmte Themen müssen auch Platz haben.

Musikunterricht sah bei uns so aus: Viel Theorie, altbackene Lieder, ab und zu spielte der Lehrer auf dem Klavier einen Song von Udo Jürgens. Ein Instrument lernen? Sänger*innen fördern? Fehlanzeige!

Statt Kinder, die nicht singen können oder wollen dazu zu zwingen, sollten lieber Kurse für Gesangstalente angeboten werden. Dasselbe gilt für Kinder für die Malen wirklich so leicht ist wie Bob Ross immer behauptete oder Kinder, die besonders athletisch sind. Das ganze mit der Möglichkeit, die Kurse zu wechseln, falls sie sich in einem anderen Feld ausprobieren möchten.

Die Fachliteratur beschäftigt sich hauptsächlich mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen, doch sehr oft wird eine Hochbegabung erst im Erwachsenenalter festgestellt. Wer von Euch den Verdacht hat, er könnte selbst kognitiv hochbegabt sein, sollte mal einen Blick auf diese Checkliste werfen. Sie zählt die Eigenschaften und Verhaltensweisen auf, die bei Hochbegabten häufig zu beobachten sind. Individuelle Abweichungen sind selbstverständlich. Betrachtet die Liste mehr als einen Überblick und wenn Ihr Euch zum großen Teil darin wiederfindet, macht doch einfach mal einen der kostenlosen Tests. Schaden kann´s nicht.

Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Betroffenen bieten mehrere Internetforen und Facebook-Gruppen an.



Hier ein kostenloser Test, der nicht auf Zeit läuft:



Ein paar Punkte treffen selbst auf mich zu und ich habe sicher keinen IQ von 130:

Ich habe mir mit vier oder fünf das Lesen selbst beigebracht und ich erinnere mich sehr gut, dass ich damals auch mit meiner Mama über meine Zweifel an der Existenz von Gott gesprochen habe.

Tatsächlich benutze ich das Internet oft für Recherchen und lese viel. Zum einen muss ich das ja für die Arbeit. Zum anderen ist mein Wissensdurst schier unstillbar. Mein Leben wird gar nicht lang genug sein um mir alles anzueignen, was ich lernen möchte. Zusätzlich befällt mich in Bezug auf meine Arbeit stets ein detailversessener Perfektionismus, der mich bei einzelnen Projekten lange aufhält.

Bestimmt ist es übertrieben in meinem Fall von Autoritätsproblemen zu sprechen, aber ich nehme sie nicht ernst. Nicht aus Respektlosigkeit heraus, es ist mehr ein Desinteresse an der Hierarchie.

Einer unserer Lehrer in der Grundschule hat uns erzählt, der Mond sei ein Planet. Ein Lehrer! Boah, ey! Wie soll ich so jemanden als Autorität akzeptieren?

In beiden Nebenjobs, die ich bisher machen musste, habe ich mich nur genau an die Anweisungen meiner Vorgesetzten gehalten, wenn sie mir sympathisch waren. Sympathie, noch so was Abstraktes.

Ich bin ein prinzipientreuer Mensch mit Idealen und Werten und mein Freiheitsdrang ist groß, aber das ist doch fast bei uns allen so, oder nicht? Wer will sich schon verkaufen oder von anderen eingeengt werden?

Und ich habe durchaus einen schwarzen, dreckigen Humor und Selbstironie. Auch, wenn das nur eine grobe Ausführung, der auf mich zutreffenden Punkte ist, sehe ich diese nicht als Anzeichen eines überdurchschnittlichen IQs. Ich bin bloß eine echt lässige Type!

Abschließend bleibt festzustellen: Nicht alle Hochbegabten sind wie Sheldon Cooper und nicht alle Cleveren sind hochbegabt. Und nicht alle Synästhesist*innen sind hochbegabt und nicht alle Hochbegabten haben Synästhesie.


Hoffentlich, konnte dieser kleine Einblick in das Thema ein bisschen Aufklärung leisten! Hochbegabte sind keine Universalgenies und die Höhe des IQs sagt gar nicht so viel aus. Es handelt sich mehr um besondere Fähigkeit, die trotzdem einer Förderung bedarf. Die Betroffenen müssen nämlich ihren Gehirnen ständig Abwechslung bieten.

Ich kann nachvollziehen, dass manche ihre Gabe als Fluch betrachten, aber den Kopf regelmäßig mit neuem Wissen füttern klingt nach ordentlich Spaß!



Euch wünsche ich eine schöne neue Maiwoche!


Eure TinTro


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