„Following our instinct not a trend
Go against the grain until the end“
Wenn man in der Google-Bildersuche nach der 2002 entdeckten parasitären Wespenart Metall ichneumon neurospastarchus sucht, erhält man genau 0 Resultate. Warum erzähle ich euch das? Weil es ein guter Einstieg in diesen Blogeintrag ist. Denn ihr Entdecker benannte sie nach Metallicas Meisterwerk des Trash Metals und 3. Studioalbum „Master of Puppets“. Aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet der Name nämlich Puppenspieler.
Am 3. März 1986 war es ihre erste Veröffentlichung auf Elektra Records sowie ihre letzte mit Cliff Burton vor dessen tragischem Tod.
Mit diesem Album haben sie den Heavy Metal herausgefordert und zu einer Neusetzung der Genregrenzen animiert. Was sie auf dem Vorgänger „Ride the Lightning“ nur andeuteten, perfektionierten sie hier zur Vollendung. Allerdings brachte ihnen das Kritik aus der ursprünglichen Trash Metal-Szene ein, die ihnen vorwarf, sich von ihren Wurzeln zu entfernen.
Offensichtlich hatten die Kalifornier jedoch mittlerweile höhere Ansprüche an ihr künstlerisches Schaffen. Hetfield verbesserte seinen Gesang und Ulrich nahm sogar Schlagzeugunterricht. Das schlägt sich in einer neuentdeckten handwerklichen Brillanz und Raffinesse nieder, die man so von der Band bisher nicht kannte.
Die Trackliste schafft in Stil und Stimmung eine Analogie zu „Ride the Lightning“, auch wenn es diesmal kein Lied unter fünf Minuten gibt. Zudem ist es ein lyrisches Konzeptalbum, das die Kontrolle von Menschen durch Zwang, Sucht, Angst und Gefühlen behandelt. Es wurde in Kopenhagen in den Sweet Silence Studios mit dem Produzenten Flemming Rasmussen aufgenommen.
(Quelle: consequence.net )
Vom oberen rechten Rand aus ragt ein weißes Dreieck in das Bild hinein. Es ist das fantastische „Leper Messiah“, ein leider oft übersehenes Epos, das sich mit dem Machtmissbrauch im Namen der Religion auseinandersetzt.
Links daneben schließt sich nahtlos und ganz schüchtern ein weißes Quadrat mit runden Ecken an. Kaum zu glauben, dass sich ein Song mit dermaßen hurrikanartigem Gitarrenspiel wie „Master of Puppets“ so unscheinbar zeigt. Es wurde langsamer aufgenommen als es auf dem Album zu hören ist, Rasmussen erhöhte das Tempo erst später. Außerdem wird das Riff aus dem David Bowie-Song „Andy Warhol“ als Hommage gefeatured, weil er zu den Lieblingsmusikern der Band gehört.
Mal wieder fiel es mir schwer ein Lieblingslied auszuwählen (so schwer wie noch nie wohl bemerkt), aber es kann in diesem Fall dann doch nur einen geben. Mit ihm setzten sie einen völlig neuen Maßstab für Heavy Metal-Songs. Inhaltlich geht es um die Sucht aus Sicht der Droge, die die Abhängigen im Griff hat eben wie der Puppenspieler seine Marionetten.
Überzeugt Euch hier am Besten selbst, warum „Master of Puppets“ der Metallica-Klassiker schlechthin ist!
Auch andere Kollegen wie Deep Purple und, wie man bei „The thing that should never be“ am deutlichsten hört, Black Sabbath zählen zu ihren Einflüssen. Und wie üblich lieferten Film und Literatur Textideen. Dieser Song basiert auf H.P. Lovecrafts „Schatten über Innsmouth“ und besteht aus einer kurzen, vertikalen und einer langen, horizontalen weißen Form, die am unteren Bildrand angeordnet sind.
Die Bildkomposition baute ich über parallele Objektformen auf. Deshalb liegt direkt gegenüber der orange Balken des Instrumentals „Orion“. Die Farbe schmilzt in einen weißen See, der sie in ein feines Apricot taucht.
Das Stück ist Cliff Burtons Vermächtnis. Ein Bassmeisterwerk, das mit Brüchen zwischen starker Hoffnung und sanfter Melancholie hin und her springt. Die Band selbst erinnert es an den Weltraum, daher die Benennung nach dem Sternbild. Erst auf ihrer „Escape from the Studio 2006“ - Tour spielten sie es erstmals in voller Länge in Erinnerung an Burton. Überhaupt spielten sie die Tracklist dieses Albums auf dieser Tour zum ersten Mal vollständig. Mir kam er gelegen, da ich hier nur 9 Bildelemente zu Verfügung hatte und mithilfe seines Sees die Zwischenräume ausfüllen konnte.
"Master of Puppets", 11. Jul 2018, 40x60cm, Acryl auf Leinwand
Ein knalliges Orange dagegen höre ich als Viereck, das in einer dicken schwarzen Masse versinkt, die von einem dunkelgrauen Rand zusammen gehalten wird. „Battery“ eröffnet das Album mit andächtigen Akustikgitarren bevor sie abrupt in feinsten Trash Metal mit deftigen Riffs sprinten. Eine ordentliche Ansage! Das Lied ist ein Dankeschön an die Fans, die die Band von Stunde eins an begleiten. Denn ihre ersten Auftritte absolvierten die vier im „Old Waldorf Club“ in der Battery Street in San Francisco. Es spiegelt die Rundheit von „Master of Puppets“ wieder und bildet quasi sein dunkles Äquivalent.
Weil dieses Album, sowohl in Metallicas Diskografie als auch in der Geschichte des Metals, so ein Moloch ist, habe ich den Titel zentral in die Komposition gesetzt. Ein massives Gebilde aus zwei weißen Zähnen, die fest in violettes Fleisch mit einer lila Umrandung verankert sind und auf der Seite liegen.
Violett tritt auch in „Welcome Home (Sanitarium)“ (3 Gitarrensolos, Leute!) auf. Aus einem schwarzen, senkrecht stehenden Kasten mit einem etwas hellgrauerem, dicken Rand erhebt sich ein violetter Strom, der in einen weißen Sturm gerät. Letzterer wird vom Stakkato der Gitarren heraufbeschworen, das ich mit einem alten, ausgefransten Fächerpinsel dargestellt habe. Das Lied thematisiert die missbräuchliche Behandlung von Patienten in psychiatrischen Einrichtungen und wurde vom Film „Einer flog übers Kuckucksnest“ inspiriert.
Für den Antikriegssong „Disposable Heroes“ orientierte sich Hammet in seinem Spiel an alten Kriegsfilmsoundtracks. Es schafft mit seinem schwarzen Dreieck eine Parallele zu „Leper Messiah“. Es wird von einem pekannussbraunem Kokon umschlungen, der in zartes Kakao und Umbra schmilzt und über einen dunkelvioletten Absatz in den „Orion“-See läuft.
Dadurch erhält das Bild eine fließende Qualität, die sehr gut zum rasanten Tempo des Albums passt. Jedoch wird diese durch die extreme Weißlastigkeit nicht deutlich. Mithilfe von leichten Veränderungen in Farbton und Pinselführung habe ich versucht die einzelnen Elemente voneinander unterscheidbar zu machen.
Trotzdem habe ich mich darauf gefreut „Master of Puppets“ zu malen. Nicht nur die Platte ist herausragend, sondern auch seine synästhetische Übersetzung sticht heraus. Optisch bildet es einen Gegensatz zu den düsteren Texten des Albums. Die Farbgebung ist in meiner synästhetischen Wahrnehmung äußerst ungewöhnlich. Ich habe selten die Gelegenheit Orange und Violett zu benutzen und auch die Herausforderung vor die mich das übermäßige Weiß gestellt hat, reizte mich sehr. Weiß wirkt beruhigend auf mich. Ich habe zwei große weiße Decken in die ich zu dieser Jahreszeit nahezu den ganzen Tag eingewickelt bin. Vielleicht kommt diese Assoziation daher. Jedenfalls wollte ich Weiß den Raum geben um diese Wirkung zu entfalten und habe deshalb diesmal weniger auf Kontrast gesetzt und die dunklen Parts in die Ecken verbannt. Doch es bleibt ein helles Bild, denn mit zwei Sekundärfarben, einer Tertiärfarbe und ohne Grundfarben war den Nichtfarben (wobei Grau nur als Rahmen erklingt) sowieso nicht viel entgegen zusetzen. Keine meiner Arbeiten war so schnell fertig. Normalerweise sitze ich ca. 8 Stunden vor der Leinwand, aber diesmal waren es lediglich 45 Minuten.
Ich höre hier die für meine synästhetische Wahrnehmung typischen runden, weichen Gebilde, die sich teilweise in die Länge ziehen und nur wenige konkrete geometrische Formen. Sie ließen sich einfach nebeneinander setzen und aufgrund der glatten Übergänge schmiegen sie sich entweder friedlich aneinander oder sie umfließen einander in verspielter Leichtigkeit.
Und obwohl alles schwerelos zu schwimmen scheint, haftet der Komposition eine gewisse Statik an. Um Dynamik zu erzeugen, ließ ich Lieder gegeneinander streben. Der orange Balken von „Orion“ beispielsweise treibt nach rechts, während das weiß-violette Wirrwarr von „Welcome Home (Sanitarium)“ nach links ausbricht.
„Disposable Heroes“, das fledermausartig nach unten hängt, findet seinen Gegenpart in „Damage, Inc.“. Als schwarze Unform mit einem weißen Aufsatz, in die sich ein elefantengrauer Streifen drängt, erhebt es sich vom Boden. Nach einem mystischen Intro aus umgedreht abgespielten Bassachorden, die Burton an das Johann Sebastian Bach-Stück „Komm, süßer Tod“ anlehnte, verwandelt es sich in eine der härtesten Nummern der Band. Als letzter Song des Albums behandelt es die Emanzipation von kontrollierenden Kräften notfalls auch mit Gewalt.
Das Albumcover, das einen Soldatenfriedhof zeigt, wurde übrigens ebenfalls von deutschen Musikern inspiriert. Ein ähnliches Bild ist auf „Taken by force“ der Scorpions zu sehen.
(Art & Design: Metallica, Peter Mensch, Don Brautigam)
Wer sich mit Metal-Musik nicht beschäftigt, hält vielleicht nicht viel davon. Aber diese Musiker*innen sind verdammte Virtuosen und Metallica schaffen besonders in „Damage, Inc.“ eine Stimmung von wachsendem Selbstvertrauen und Zuversicht, die greifbar ist.
Überhaupt ist „Master of Puppets“ ein packendes Album und mit Songs wie „Disposable Heroes“, „Battery“ oder dem Titelsong ihr bisher melodischstes. Meiner Meinung nach haben sie sich in Rasanz, Kraft und textlicher Heftigkeit (zumindest für ein Album gesamt gesehen) nie übertroffen. Der Nachfolger „...and Justice for all“ kam sehr nah dran. Ihm fehlten jedoch die dichte Atmosphäre und emotionale Tiefe auf instrumentaler Ebene.
In den USA wurde das Album mit sechsmal Platin ausgezeichnet (Sechs fucking Mal!) und die Library of Congress registrierte das Album 2016 in der National Recording-Liste, da es „kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsam“ sei. Dem bleibt absolut nichts mehr hinzuzufügen.
Ein schönes Wochenende wünsche ich Euch allen!
Eure TinTro
Zitat aus "Damage, Inc."